Als junge Frau auf der Suche nach weiblichem Erwachen schaute ich mir oft die Darstellungen von Göttinnen an. Diese Frauen strahlten Würde aus, eine weibliche Kraft, die voller Weisheit und Liebe in sich ruhte. Sie schienen mit etwas verbunden zu sein, das ich damals nur als „Mysterium“ umschreiben konnte. Was machte diese Frauen zu den Göttinnen, als die sie dargestellt wurden? Warum findet sich diese Kraft nicht mehr in den meisten Frauen der heutigen Zeit? Und wie konnte ich dieses Potential in mir erwecken?
Ich machte mich auf die Suche...studierte alte Mythen, forschte im Wissen matriarchaler Zeiten verschiedener Kulturen...und entdeckte, daß die weibliche Sexualität, die tiefe Verbindung zum Schoßraum dabei eine zentrale Rolle spielte. Diese Göttinnen waren mit der Tiefe ihres Schoßraumes verbunden. Aus ihm schöpften sie ihr Wissen. Aus ihm strahlte ihr Frieden, ihr weibliches Leuchten, ihr Ruhen im zeitlosen Sein. In ihrem wachen Schoß lag der Raum des weiblichen Mysteriums!
Der Schoß als Zentrum weiblicher Kraft
Wie wichtig und zentral der Schoß als Zentrum weiblicher Kraft ist, zeigt sich in vielen alten Kulturen:
In unserer europäischen Kultur gibt es die alte keltische Göttin Sheela-na-gig, die sich mit geöffnetem Schoß breit lachend präsentiert. In frühchristlicher Zeit fand man sie über manchen Kircheingängen wieder – wer die Kirche betrat, strich mit der Hand an ihrer Yoni entlang und segnete sich damit... Auch die Göttin Baubo, die in den griechischen Mythen erscheint gehört zu unserem Kulturkreis. Baubo besteht nur aus einem Rumpf, ihre Brüste sind ihre Augen und ihre Yoni ist ihr Mund. Mit ihrer Yoni erzählte sie lustige Geschichten, machte Witze und brachte so die klagende Demeter wieder zum Lachen und damit das Land wieder zum Erblühen – was für ein Sinnbild für die Kraft einer glücklichen Yoni!
In der indianischen Kultur gibt es das alte Medizinwerkzeug, den Hochzeitskorb. Der Hochzeitskorb symbolisiert den Schoßraum der Frau. In den alten Teachings dieser Kultur wird das Wissen weitergegeben, welche Bewußtseinsräume sich im Schoß der Frau befinden und wie frau diese Räume aktivieren kann. Es werden Schoßreinigungszeremonien gelehrt und ein bewußter Umgang mit der Kraft der Menstruation. Der Hochzeitskorb unterstützt die Frau, sich tiefer mit der Kraft des Schoßes zu verbinden und den „Spiritwhomb“ zu erwecken.
In der alten indischen tantrischen Kultur wurden Yonipujas durchgeführt – Verehrungsrituale für die spirituelle Kraft der Yoni. Yoni ist sanskrit und heißt „heilige Stätte“. In der Blütezeit der tantrischen Kultur waren es die eingeweihten Tantrikas, die sich in ihrer Shaktikraft mit ihrer geöffneten Yoni offenbarten und darin verehrt wurden. Später waren es in Stein oder Bronze gegossene Abbildungen von ihnen. Auch die alten Rishis der indischen Kultur schrieben ihr Wissen um das Potential des weiblichen Schoßes nieder. Hier findet sich in der Darstellung des „whomb-chakras“ ebenfalls das Wissen um verschiedene Bewußtseinsfelder im Schoß der Frau. Im „SchoßChakra-Prozess“ kann frau diese Felder mittels Mantren aktivieren und so das schlafende Potential in ihrem Schoß erwecken.
Alle in diese Beispiele zeigen, wie hoch das weibliche Zentrum geehrt und wertgeschätzt wurde, wie viel Bewußtsein um den Schoßraum bestand – den Raum des weiblichen Mysteriums. Dies war eine Offenbarung für mich. Doch ich selbst fühlte mich damals als junge Frau in meinem Schoß noch weit davon entfernt, darin erwacht zu sein. Mein Schoß fühlte sich dunkel und unbewußt an, ich war nicht sehr verbunden mit ihm.
Meine Suche wandte sich nun der Erforschung von mir selbst zu, insbesondere der Erforschung meines Schoßraumes. Ich entdeckte, daß ich viel alten Ballast darin trug, sowohl aus meiner persönlichen Geschichte als auch aus dem weiblichen Kollektiv. Je tiefer ich ging, desto mehr erschloß sich mir die Tiefe der Verletzung, die das weibliche Kollektiv im Schoßraum in sich trägt.
Kollektive Verletzung des Schoßraumes
Verschiedene Kulturen erfanden die Genitalverstümmelung und verkauften sie als Initiationsritual zur Frau. Weltweit leben mehr als 140 Millionen Mädchen und Frauen, die an ihren Genitalien verstümmelt wurden.Täglich werden immernoch 8000 Mädchen verstümmelt. Weibliche Sexualität wurde in der Vergangenheit in die Ehe gepackt und als Besitz des Mannes angesehen. Im Mittelalter wurden gar Keuschheitsgürtel angefertigt, Frauen darin eingeschnürt und ihr Schoßraum buchstäblich abgeschlossen. Die weisen Frauen jener Zeit wurden reihenweise sexuell mißhandelt, vergewaltigt und verbrannt oder erhängt. Bis vor wenigen Jahren noch war Vergewaltigung in der deutschen Ehe gesetzlich erlaubt. Und in vielen Ländern ist dies immer noch der Fall. In den arabischen Ländern wurden Frauen hinter den Schleier gesetzt. Wird sie verdächtigt, außerehelich ihre Sexualität gelebt zu haben, droht ihr der Tod durch Steinigung. Massenvergewaltigungen bei Kriegen ist Kriegsmittel, um ein Volk zu schwächen. Vergewaltigte Frauen werden in vielen Ländern auch noch angeklagt, während die Vergewaltiger in Schutz genommen werden. Statistiken zufolge erfährt jede 3.Frau heute Gewalt oder Mißbrauch in ihrem Leben.
Das, was im Laufe der Geschichte geschah und das, was noch immer an Gewalt an Frauen und weiblicher Sexualität geschieht, sitzt in den Zellen jeder einzelnen Frau. Wir sind EIN Körper. Frauen sind alle Teil eines kollektiven weiblichen Körpers. Wenn wir uns das vor Augen halten, ist es nicht verwunderlich, daß Frauen ihren Schoß verschlossen haben, sich von ihm getrennt haben – um all diesen Schmerz nicht zu spüren.
Der Schoß ist der Ort, der im weiblichen Kollektiv am stärksten verletzt wurde und immer noch wird.
Auswirkungen der kollektiven Verletzung
Die Auswirkung der kollektiven Verletzung zeigt sich in Form verschiedener Unterleibsbeschwerden, unter denen viele Frauen leiden: Vaginalinfektionen wie Pilze, Clamydien, Trichomonaden etc sind recht häufig verbreitet. Gebärmutterhalskrebs ist nach Brustkrebs die zweithäufigste Krebserkrankung von Frauen. In vielen Gebärmüttern wuchern Myome und die Gebärmutterentfernung zählt in der westlichen Welt zu den am häufigsten durchgeführten Operationen – obwohl es zu 90% zu vermeiden wäre. Viele Frauen leiden unter starken Menstruationsbeschwerden und dem sog. PMS (prämenstruellen Syndrom). All das ist aus meiner Sicht ein Ausdruck dessen, daß der Schatten des weiblichen Kollektivs noch unerlöst ist. Es zeigt, wie viel alter Ballast sich über die Jahrhunderte, Jahrtausende angesammelt hat, und von Mutter zu Tochter in der Linie unbewußt weitergegeben wurde. Es zeigt, daß Frauen im eigenen Schoß nicht zuhause sind und das weibliche kreative Potential nicht frei in die Welt fließen kann.
Auf subtilerer Ebene macht sich ein verletzter Schoß folgendermaßen im Erleben der Frau bemerkbar: diffuses Selbstwertgefühl, Identifikation mit Opfer-sein, Gefühl des getrennt Seins, wenig Kenntnis der eigenen (sexuellen) Wünsche und Sehnsüchte, Unfähigkeit, klare Grenzen zu setzen, in der Sexualität fehlt es an spiritueller Tiefe. Für viele Frauen ist das ihre Lebenswirklichkeit.
Und so war es auch meine.
Doch es gab eine Sehnsucht in mir, die mich nicht ruhen ließ, eine Sehnsucht nach Erlösung, nach Erwachen in meinem Schoß. Und ich fand Wege der Heilung. Je mehr ich den alten Ballast loslassen konnte, je mehr Bewußtsein ich in meinen Schoßraum bringen konnte, desto wacher, lichter und lebendiger wurde er. Es war ein Prozeß des langsamen Erwachens aus dem über tausendjährigen Dornröschenschlaf. Seitdem habe ich viele Frauen in dem Prozeß der Heilung ihres Schoßraumes begleitet. Der Schlaf des Schoßes sind die Nebel patriarchaler Vergangenheit Ich möchte behaupten, daß die Schöße der meisten Frauen schlafen. Und es ist uns nicht einmal bewußt, weil wir es nicht anders kennen. Erst im Augenblick, in dem ein Erwachen stattfindet, merken wir, daß wir zuvor geschlafen haben.
Ich glaube, daß dieser „Schlaf“ die Nebel der patriarchalen Vergangenheit sind, in der das Weibliche und insbesondere die weibliche Sexualität unterdrückt und der Schoßraum massiv verletzt wurde. So wie die Mythe von Avalon erzählt, daß die Insel Avalon als Ort der eingeweihten Priesterinnen hinter den Nebeln versank, so ist auch der erwachte Schoßraum in uns in den Nebeln einer patriarchalen Vergangenheit versunken. Der innere Tempel, der Raum des Mysteriums verschloß sich uns mit jeder Gewalt, die der weibliche Schoßraum in unserer kollektiven Geschichte erfuhr. Doch heute ist die Zeit, in der sich die Nebel wieder lüften. In der Heilung stattfindet. In der Frauen den Schatten der Vergangenheit durchlichten und in ihrem Schoß wieder erwachen können.
Wenn der Schoß einer Frau erwacht...
Eine Frau, die in ihrem Schoß erwacht, erstrahlt in ihrer Weiblichkeit. Sie fühlt sich tief verbunden zu Mutter Erde, zum Leben, zur Quelle allen Seins. Weibliches Wissen wird fühlbar. Ihr Selbstwert beginnt von innen her zu leuchten. Weibliche Würde breitet sich in ihr aus. Die Sexualität gewinnt an spiritueller Tiefe. Das Lachen geht in ihr auf. Sie wird zu einem wärmenden Pol in der Welt, zu einer Quelle der Liebe.
Das Mysterium des Schoßraumes
Der Schoß der Frau ist das Zentrum weiblichen Kraft, Weisheit und Kreativität. Der Schoß ist der heilige Ort, in dem weiblich und männlich sich vereinen und in dem Schöpfung stattfindet. Im Schoß ist ein Tor zu anderen Raum-Zeit-Dimensionen, ein Traum-Raum, in dem sich Leben neu träumt. Der Schoß empfängt neues Leben, läßt es wachsen und nährt es. Alles Leben wird aus dem Schoß geboren. Der Schoß ist der Ort, an dem Frauen mit der Erde und dem ganzen Kosmos verbunden sind. Alles Frauenwissen, das Erbe der Ahninnen ist im Schoß gespeichert. Im Schoß ist der Quell der Fülle, aus ihm entspringt der Strom von Lust, das Prinzip des sich Verschenkens, sich Verströmens, das tiefe weibliche Lachen! Möge dieser Ort wieder zutiefst geehrt und geheiligt sein. Ich wünsche jeder Frau, daß sie in ihrem Schoß erwachen kann und ihr weibliches Potential in ihr Leben und in die Welt fließt.